1. Preisträger

Arbeitsgemeinschaft GWJ Architektur AG mit Treibhaus Landschaftsarchitektur, Bern

Das sagt der Verfasser zu seinem Entwurfskonzept:

Neue Strandlust

Vegesack

Die Neue Strandlust vermittelt zwischen Stadt, Ufer und Park. Als übergeordneter öffentlicher Freiraum führt die Weserpromenade an der Neuen Strandlust vorbei. Das neue Quartier-Ensemble setzt mit seinen gastronomischen Angeboten an der Promenade einen neuen Akzent. Leicht überhöht, gegenüber der  Weserpromenade und punktuell über Treppen zugänglich, bietet das Restaurant als Highlight der ‚Maritime-Meile‘ Weitblick über die Weser.

Ursprünglich 1898 erbaut, hat die Strandlust im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Wandlungen erfahren und sich den Bedürfnissen und Wünschen der Gemeinschaft angepasst. Sie repräsentiert nicht allein ihre historische Bedeutung, sondern auch ihre bedeutende gesellschaftliche Stellung und Vielseitigkeit.

Die Strandlust war stets als markantes Gebäude-Ensemble an der Ecke erkennbar. Das Erdgeschoss und seine Umgebung sind seit jeher integraler Bestandteil der ‚Maritime-Meile‘, geprägt durch öffentliche Nutzungsmöglichkeiten wie ein Restaurant, der Park und einen Biergarten. Wie auch früher, ist das Gebäude leicht gedreht auf dem Grundstück positioniert, was dazu führt, dass man trichterartig in den Park hineingeführt wird. Durch die leichte Drehung hat man einen direkten Blick auf die sich nähernde Weser. Das Ensemble besteht aus einem Sockel und fünf darauf errichteten Gebäuden.

Der Ort Vegesack zeichnet sich durch vielfältige und differenzierte Baukörper und Dachformen aus, die eine Kleinteiligkeit erzeugen. Aus der Ferne verschmelzen die Häuser und Dächer zu einer einheitlichen Dachlandschaft. Die fünf Gebäude der Strandlust integrieren sich in diese Landschaft und verbindet sich mit der umliegenden Nachbarschaft. Die Dachform bricht die Ansichten, schafft eine kleinere Maßstäblichkeit und verbessert die Sichtbeziehungen sowie die Belichtungsverhältnisse.

A

Die Neue Strandlust ist ein integraler Bestandteil der ‚Maritime-Meile‘ in Vegesack. Blick vom Utkiek aus.

B

Ob man nun auf der Terrasse des Restaurants mit Blick auf die Weser sitzt, sich unter den historischen Bäumen im Biergarten entspannt oder bei einer Veranstaltung im Saal das Tanzbein schwingt – die Strandlust bietet für jeden etwas.

Freiraum
Die Restaurant Terrasse, die leicht erhöht über der Weserpromenade liegt und über Treppen erreichbar ist, bildet ein Teil der ‚Maritime-Meile‘. Westlich angrenzend wird der Stadtgarten über den baumbestandenen Biergarten bis zum alten Bootshaus weitergeführt. In der Grünfläche sind großzügige Spielflächen und Wiesen für das neue Quartier angelegt. Die auf Stadthöhe gelegene Hofebene hat durch seinen Gemeinschaftshof einen nachbarschaftlichen Charakter. Über grüne Vorzonen und daraus wachsende Rankpflanzen zieht sich das umgebende Grün in den Hof. Ein kleiner Platz bildet dabei das Entree zur Rohrstraße.

Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft
Durch bauliche und gestalterische Maßnahmen wird den Umweltbelangen gezielt Rechnung getragen. Die offene Bebauung berücksichtigt Belüftung und Kühlung, Regenwasser wird gesammelt, zurückgehalten und kann versickern, Bäume und Bepflanzung sorgen für Beschattung. Dank der gering überbauten Grundfläche wird die Biodiversität gefördert und gewahrt. Die Volumina sind bewusst kompakt gestaltet, um die Mantellinie zu minimieren.

‚Design for Disassembly‘: Die einfache Bauweise und das gewählte Tragsystem mit Betonkernen und Stützen in Holzbauweise lassen eine hohe Flexibilität im Grundriss und spätere Umnutzbarkeit zu. Die neuen Bauelemente sind modular und standardisiert. Alle neuen Elemente sind auch in Zukunft wieder wiederverwendbar. Zudem verkürzt die Modularität die Bauzeit erheblich und ermöglicht einen schnellen Einzug.

Gesellschaft: Das Projekt schafft Raum für verschiedene Zielgruppen, mit Treffpunkten und Begegnungsorten im Sockelgeschoss, dem Hof und im Park. Der Lärmschutz wird mittels Grundrissausrichtung, verglaste Loggien und baulichen Maßnahmen eingehalten.

Nutzung
Auf der Parkebene (Sockel, 5,20 m.ü.M.) sind die Nutzungen der Strandlust zugeordnet. Je nach Ausrichtung mit einer unterschiedlichen Funktion. Das Hauptgebäude in der Ecke beherbergt das Restaurant und auf Hofebene (1. OG, 9,20 m.ü.M.) den Veranstaltungssaal. Das Gebäude in Richtung Weser und Stadtpark beherbergt ein Bistro mit Biergarten. Das Gebäude in Richtung Rohrstraße verfügt über einen Infopoint, dem öffentlichen Zugang der Tiefgarage und ein Museum, das sich der Geschichte der Strandlust widmet. Die Nutzung auf der Hofebene ist vielseitig und flexibel gestaltet. In Richtung Stadt und Weser sind Dienstleistungen möglich, während in Richtung Park und Weser auch Wohnungseinheiten sind. Zum Hof hin sind gemeinschaftliche Nutzungen sowie die Adressierung für die Bewohner vorgesehen.

Belichtung
Die Dächer der fünf Gebäude neigen sich ähnlich wie Satteldächer in jeweils zwei Richtungen. Dadurch fügen sich die Gebäude nicht nur besser in das vorhandene
Stadtbild ein, sondern die Fassadenhöhe wird auch reduziert, was zu einer besseren Belichtung im Hof führt. An den Ost-, Süd- und Westorientierungen sind
Photovoltaikanlagen in die Dachziegel integriert. In Pikto markiert *

Durchlässigkeit und Ausblick
Durch die Porosität der Gebäude wird eine Durchlässigkeit gewährleistet, wodurch Blickbeziehungen in alle Richtungen entstehen. Die so genannte „2. Reihe“ wird
eliminiert. Dank der Dachschrägen wird zudem die Anzahl der Wohnungen erhöht, die großzügige Weitblicke genießen können.

Materialität und Identität
In Anlehnung an die frühere Strandlust werden rötliche Fassadenziegel Teil der Materialisierung. Der Ausbau des bestehenden Gebäudes wird als Ressource betrachtet. Elemente wie der massive Holzboden, Leuchten und Verkleidungen werden wiederverwendet. Die Neue Strandlust integriert einen Teil der früheren Atmosphäre in sich.

Wie einst, so ist auch in Zukunft die Strandlust ein vielseitiger Komplex. Hier treffen unterschiedliche Menschen aufeinander und finden zahlreiche Möglichkeiten der Begegnung und des Genusses. .

Ein Spaziergang entlang der Weserpromenade, das Spielen im Park oder das Lauschen von Musik im Pavillon – all das sind Aktivitäten, die in der Strandlust ihren Platz fanden und in Zukunft wiederfinden. Ein Pfad im Park verbindet die Neue Strandlust mit dem historischen Bootshaus.

Der Ausblick auf die Weser im Saal und im Restaurant bietet eine beeindruckende
Kulisse. Der stützenarme Saal zeichnet sich durch eine flexible Struktur aus, die sich ideal für Feiern und Konzerte eignet. Die Verwendung von wiederverwerteten Materialien, wie dem Boden, erinnert charmant an die frühere Strandlust.

Die Hofebene integriert sich in das bestehende Quartier, wobei öffentliche Nutzungen in Richtung Rohrstraße ausgerichtet sind. Im Hofbereich stehen verschiedene gemeinschaftliche Nutzungsmöglichkeiten zur Verfügung, während in den oberen Geschossen vielfältige Wohnformen angeboten werden.

Die Strandlust bleibt somit ein zeitloses Zentrum der Vielfalt, wo sich Geschichte und Moderne verbinden. Hier kommen Menschen aller Altersgruppen und Interessen zusammen.

Hochwasserschutz
Das Geschoss auf der Parkebene (5,20 m.ü.M.) ist durch eine Panzerverglasung mit zusätzlichen, fahrbaren Stoßschutzgittern gesichert (System A). Die wenigen Zugänge werden im Hochwasserfall mittels eines mobilen Hochwasserschutzsystems aus Alu-Dammbalken manuell verschlossen (System B). Dank der geringen Anzahl mobiler und beweglicher Elemente wird der Wartungsaufwand minimiert und mögliche Defekte werden reduziert. Alles oberhalb des Erdgeschosses, auf der Hofebene, liegt über 9,20 m.ü.M. Die vorgeschriebene Bestickhöhe von 9,20 m.ü.M. wird somit eingehalten, und es wird eine hochwassersichere Fluchtmöglichkeit gewährleistet.
(Referenz-Projekte: Chili Club Hamburg, Germanischen Lloyd am Brooktorkai Hamburg)

Brandschutz
Die Gebäude unterschreiten den vorgeschriebenen Brandschutzabstand von 5 Metern nicht. Es ist möglich, mit Feuerwehrfahrzeugen in den Hof zu gelangen. Auf diese Weise entsprechen alle Häuser den Brandschutzrichtlinien.
Lärmschutz
Das Erdgeschoss sowie das erste Obergeschoss im östlichen Bereich sind nicht für Wohnzwecke vorgesehen. Durch das Konzept des Durchwohnens oder von Wohnungen in Ecklage verfügen die meisten Wohnungen über mindestens eine Fassadenseite, die lärmgeschützt ist. Die Loggien an den östlichen und südlichen Fassaden sind verglast, wodurch die Außenbereiche vor Lärm geschützt sind. Zusätzlich werden die Zimmer durch bauliche Maßnahmen (Fassade, Fensterwahl) vor Lärm geschützt.
Tragwerk
Die Tragstruktur ist als Skelettbau entwickelt worden, wobei hier ein modularer Holzbau zur Anwendung kommt. Die Modularität der Grundrisse erlaubt einen sehr hohen Vorfertigungsgrad mit einer äußerst wirtschaftlichen Elementierung. Dieser besteht aus Primärträgern aus Holz, welche auf Holzstützen abgestellt sind. Die Decken werden als Holzbetonverbunddecken (HBV-Decken) ausgebildet mit 12 cm Vollholz (z. B. Brettstapeldecke) im Verbund mit 12 cm bewehrtem Überbeton.

Wohnqualität | Adressierung
Auf der Hofebene befinden sich die Adressierungen für die darüber liegenden
Wohnungen. Der Zugang erfolgt ebenerdig von der Rohrstraße aus oder über die Treppen zwischen den Gebäuden. Die Adresse der Strandlust ist von der Weserpromenade I Parkebene (5,20 m.ü.M.) her erreichbar. Die Wohnungen sind in mehreren Richtungen ausgerichtet, und durch die geschickte Platzierung der Außenbereiche bieten sie auch in den hinteren Ebenen Ausblicke auf die Stadt, den Park oder die Weser.

Abstand
Die Abstandsregelungen gemäß der Bremischen Landesbauordnung, die einen Mindestabstand von 0,4h zu den Nachbargrundstücken sowie 0,2h zum Flurstück 7/4 und den nicht bebaubaren öffentlichen Grundstücken vorsehen, werden eingehalten.